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  • ‚MASSE DER KLASSE‘


    Die jugendlichen BerufsschülerInnen, die ihre Ausbildung in der Landesberufsschule Neunkirchen absolvieren, gehören einer Generation an, die durch Geschwindigkeit (symbolisiert durch die Olaf Nicolai Uhr), neue Technologien (Stichwort Social Media) und Verunsicherung und Existenzängste (Auswirkungen der Wirtschafts-Krise) geprägt sind1.

    Aus der Perspektive ihrer Karriereplanung stehen sie einer- seits bereits als ArbeiterInnen im Berufsleben, da sie einen Lehrberuf ausüben, befinden sich andererseits aber noch Mitten in ihrer Ausbildung. Das verbindende Element der BerufsschülerInnen ist somit ihre Generation sowie ihre Lebenssituation und dient als Grundlage einer kollektiven Identität, die durch gemeinsame Erfahrungen und ein geteiltes Schicksal zu einem emotionalen, partizipativen „Wir“ akzentuiert werden kann23.

    Inwiefern sich Jugendliche als Individuum und gleichzeitig Teil einer Community sehen, die für sich selbst spricht, verdeutlicht die Bedeutung von Sozialen Medien. Nicht ohne Grund sprechen SoziologInnen bereits von der „Generation Facebook“4, einem dynamischen Miteinander zwischen Individualität, Voyeurismus und Anonymität. SchülerInnen fordern zu Recht von der Gesellschaft ein, ihre Stimme erheben zu dürfen und gehört zu werden, sind sich ihrer eigenen Macht und Bedeutung in dem gesellschaftlichen System sowie deren Konsequenzen aber nicht immer bewusst.

    Heintel5 schreibt hierbei der Geschwindigkeit unserer Zeit die Verantwortung zu, die den Menschen das Denken nach und nach abge- wöhnt hat, da keine Zeit mehr zum Überlegen und Nachdenken gegeben ist.

    Dieses „Wir“ als Kollektiv und die Bedeutung jedes einzelnen sowie die Reflexion über Macht greift die Arbeit „Masse der Klasse“ auf, indem sie den Handlungen der SchülerInnen Gewicht verleiht und ihrer tatsächlichen Masse einer Aussage zuordnet. Daher befindet sich unter der Konstruktion, die als Sitzmöbel in einem Gesamtkubus gestaltet ist, eine Waage, deren Gewichtsanzeige auf den Monitor in den Räumlichkeiten der Schule projeziert wird.

    Sobald mehr als zwei SchülerInnen auf dem Kunstwerk sitzen oder stehen, sehen sie sich — bewusst oder unbewusst - in einer gemeinsamen räumlichen Machtposition gegenüber anderen SchülerInnen und verfügen somit über ein Gewicht, das sie nicht unmittelbar wahrnehmen.

    Ihre Masse löst anderenorts jedoch eine Reaktion aus, indem das Gewicht der SchülerInnen Zitate auf einem Monitor erscheinen lässt. Mit jeder Veränderung der Masse verändert sich das angezeigte Zitat. Die Arbeit „Masse der Klasse“ ist somit ein sich ständig ändernder, interaktiver Prozess, der nur in dem Zusammenspiel der SchülerInnen vollständig aufgeht. Der Kubus mit Sitzmöglichkeit alleine stellt eine ästhetische Arbeit dar, das sich der umgebenen Architektur durch die verschachtelten Rechtecke perfekt anpasst.

    Erst durch das Betreten der Installation, wird es zu einem politischen Objekt, das zum Denken anregt. Die Zitate, die auf dem Monitor erscheinen, stellen die Bedeutung der Masse dar, hinterfragen sie gleichzeitig und werfen die Frage auf, welche Rolle das Individuum im Kollektiv der Klasse spielt.

    Inhaltlich kann die Auswahl der Zitate dem jeweiligen Zeitgeist und der aktuellen gesellschaftlichen Situation und Relevanz entsprechen, womit das Kunstwerk zu einer Reflexion der Zeit und damit auch zur erzählten Geschichte wird.

    Den Startschuss und damit auch die Namensgebung der Arbeit „Masse der Klasse“ bildet das Literaturnobelpreis-Werk des Schriftstellers Elias Canetti mit dem Buch:„Masse und Macht“ mit folgenden Zitaten (Auszug):
    „Jede völlig fremde Sprache ist eine akustische Maske; sobald man sie versteht, wird sie zu einem deutbaren und vertraulichen Gesicht“. (Kapitel: Die Figur und die Maske, S. 445)
    „Fragen sind auf Antworten bedacht, solche, auf die keine Antwort erfolgt, sind wie in die Luft verschossene Pfeile“. (Kapitel: Frage und Antwort, S 337)

    Die Zitate auf dem Monitor in den Innenräum- lichkeiten ändern sich je nach dem Gewicht der Personen, die auf den Podesten im Freien sitzen.
    1 Beate Großegger, 2014: Jugend und Zeitgeist: das „Problem der Generationen", http://jugendkultur.at/wpcontent/uploads/Dossier_ Jugend_und_Zeitgeist_Problem_der_Generation_Gros- segger_2014.pdf
    2 Ulrike Jureit, 2006: "Generationenforschung"
    3 Karl Mannheim, 1928: "Das Problem der Generation"
    4 s. Punkt 1
    5 Bernhard Heinzlmaier, 2014:
    "Jugendkommunikation in der Ära des Post-Diskursiven",
    http://jugendkultur.at/wp- content/upload/Dossier_Jugendkommunikation_Heinzl- maier_2014.pdf